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Poesiealbum ist das Freundebuch zu Omas Zeiten, nur blumiger

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Das Album der Freunde ist schon über einhundert  Jahre alt

Damals
Meinen ersten Poesiealbum bekam ich zum Schulanfang im Jahr 1954

Man ,,bickte" (klebte) Rosen-und Vergissmeinnicht"-oder Schattenbilder ein , malte Herzen, Kleeblätter oder kunstvolle Ornamente, um sich gegenseitig Freundschaft und Zuneigung zu bekunden. Auf der  rechten Seite bemühte man sich, in feinster Schreibschrift ein nettes Verserl hinzukriegen, das mal mehr, mal weniger geistreich und poetisch ausfiel.

Die Rede ist vom Poesiealbum, der schon vor über 150 Jahren -vorzugsweise bei den Mädchen - die Runde machte.  Eigentlich stammt dieses Büchlein aus dem 16.Jahrhundert. Es entstand aus dem sogenannten Stammbuch, das als das ,,album amicorum"(Album der Freunde) in Umlauf kam. Es erfreute sich besonders bei den Studenten allgemeiner Beliebtheit, denn es war eine Art Empfehlungsschreiben der Professoren und diente als Legitimation, wenn sie sich bei anderen Universitäten vorstellen wollten.

Damals
Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken, solche Sprüche wurden ins Poesiealbum geschrieben

Ob lustig, tiefsinnig oder einfältig - was bleibt sind Erinnerungen

"Rosen und Vergißmeinnicht, sind die schönsten Gaben. Gertrud  hat sie abgepflückt und die Eva soll sie haben" hieß einer der blumigen Sprüche einer Schulfreundin.

 

Mit folgenden "lustigen" Spruch hat sich Erna verewigt: "Wenn die Welt in Trümmer geht und alles blitzt und kracht, dann sitzt die lustige Eva beim Kaffee und lacht"

 

Etwas tiefsinniger sind folgende Zeilen, die mir meine Freundin Anneliese in meinen Album schrieb: "Genieße, was dir Gott beschieden, entbehre gern, was du nicht hast. Jeder Tag hat seinen Frieden, jeder Tag hat seine Last."

 

Ein wenig einfältig und gedankenlos empfand ich schon als Kind die Widmung von Helene: "Liebe Eva, bleib gesund, bis zwei Kirschen wiegen zwei Pfund."

 

Aber egal, mit welchen Spruch meine Mitschüler/innen ihre schriftlichen Spuren hinterließen, man konnte sie schon anhand dessen zuordnen. An manche kann ich mich nicht mehr erinnern, aber andere habe ich auf Grund ihres Eintrages klar vor Augen. 

 

Ich hätte mich gekränkt gefühlt, wenn mich meine Freundinnen und Schulkameradinnen nicht gefragt hätten: "Eva, mogst du mia ins Album eini schreim?" (magst du mir ins Album hinein schreiben?) Das beruhte selbstverständlich auf Gegenseitigkeit. Dass Papa und Mama die ersten waren, die sich in den ersten Seiten verewigen durften, versteht sich von selbst. Schließlich hatten sie mir das wunderschöne Album gekauft und geschenkt. Es hatte einen blauen Einband mit weißen Pünktchen. Man konnte es abwischen, falls  es wider Erwarten mit schmutzigen oder fettigen Fingern angefasst wurde.  Buben schrieben ja eher mit Widerwillen hinein und legten keinen gesteigerten Wert darauf, einen schönen Vers hinein zu schreiben. Sie fanden es gar für überflüssig, sich vorher die Hände zu waschen. Natürlich durften auch der Herr Lehrer und der Expositus nicht fehlen. Sie zitierten bekannte Poeten und Schriftsteller, deren Sinn ich  nicht auf Anhieb deuten konnte und verstand. Auch alle meine Tanten, Onkel und Verwandten, die reinschreiben wollten, machten sich mit ihren Einträgen unvergesslich.  Gerne blättere ich von Zeit zu Zeit immer wieder gerne darin. Dann entstehen Bilder von denjenigen, die mir Wünsche und Weisheiten reingeschrieben haben, vor meinem geistigen Auge. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die heutigen Freundebücher noch die Wirkung entfalten, wie es der gute alte kitschige Poesiealbum vermag. 

 

In den heutigen "Friendbooks" oder "Memorybooks"  füllt man genau genommen nur noch ein Fragen-Formular aus und klebt ein Foto dazu. Vor-und Nachnamen, Wohnort, Datum und eventuell noch ein Hobby - fertig.  Es ähnelt mehr einem Bewerbungsschreiben, als einem individuellen Wunsch, selbst wenn er abgeschrieben wurde. Die Identität der jeweiligen Schulfreunde/Schulfreundinnen bleibt meines Erachtens dabei ein wenig auf der Strecke. Aber die Zeiten ändern sich. Die heutige Generation hat eine ganz andere Sprache und kann mit überschwänglichen und oftmals schmalzigen Begrifflichkeiten nichts mehr anfangen.