Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen
Mein Bildungsweg führte schnurstraks von der Volksschule in den Beruf
Im Gegensatz zu heute gab es zu meiner Zeit noch keinen Kindergarten. Man wurde in keinster Weise so hervorragend auf den Ernst des Lebens, vorbereitet, wie es heutzutage der Fall ist. So marschierte ich im September 1954 als 6-jährige Eva Maria Giglinger an der Hand meiner Mutter ziemlich unbedarft, aber auch unbeschwert zur Volksschule in Zaisering, um meinen Bildungsweg anzutreten. Zum Glück hatten wir eine nette, etwas ältere Lehrerin, die uns freundlich in Empfang nahm, bevor sie uns in die Plätze einwies. Die hölzernen Schulbänke waren für täglich 4 bis 5 Stunden unsere Arbeitsfläche. Sie boten Platz für zwei Mädchen oder zwei Buben. Frau Maier sprach uns Mut und Zuversicht zu, wies uns aber auch gleichzeitig darauf hin, was wir zu tun und zu lassen haben. Darüber hinaus äußerte sie ihre Freude darüber, dass wir uns für die Schule so fein herausgeputzt hatten. Ich selbst war stolz, denn meine Mutter hatte mir extra eine neue Schürze mit Rüschen genäht. Sie war blau mit weißen Blümchen. Mama hatte im Stoffgeschäft Reich in Rosenheim am Mittertor extra hierfür den Stoff gekauft. Auch eine Jacke mit einem schönen Muster hatte sie mir gestrickt, die zwar etwas wax (kratzig) , aber warm war.
Die Lehrerin ging bald darauf zur Tagesordnung über. Für sie war es Routine, denn sie hatte schon viele Klassen vor uns unterrichtet. Wir, die neuen Erstklässler hingegen wussten eigentlich noch nicht recht, wie uns geschah. Wir packten unsere Schiefertafeln und Griffel aus unserem Ranzen und warteten auf Anweisungen ihrerseits. Damit begann der symbolische Startschuss für das Lernen der Buchstaben, der Zahlen, des Schreibens, Rechnens und Lesens.
Als sich die U auf wundersame Art über Nacht in N verwandelten
Ich möchte behaupten, dass wir in punkto Lerntempo den heutigen Schülern in nichts nachstanden, obwohl es eigentlich nur eine Unterklasse und Oberklasse gab, die sich in den Alterssstufen 6-10 und 11-14 Jahren aufgliederten. Nach Beendigung der 8.Klasse kamen wir aus der Schule. Mit 14 Jahren begann für die meisten die Berufsausbildung
Ein Blick zurück auf Anfang: Jeden Tag mussten wir als Erstklässler der Lehrerin einzeln die Hausaufgabe ans Pult bringen, um die Vollständigkeit und Ordentlichkeit überprüfen zu lassen. Wir waren gerade beim kleinen u angelangt, da passierte Übernacht etwas Furchtbares. Meine Bemühungen waren mit einem Schlag zunichte, obwohl ich beim Schreiben ein u schöner wie das andere buchstäblich auf die Tafel malte. Ich traute meinen Augen nicht und ich dachte mich trifft der Schlag, als Frau Maier sagte: Eva, warum hast du denn lauter n gemacht? Unter Schluchzen beteuerte ich ihr hoch und heilig, dass ich todsicher nur u geschrieben habe. Ich konnte gar nicht verstehen, wie sie da noch lachen konnte. Schmunzelnd sagte sie: Mach mal die Augen zu. Als ich sie wieder aufmachen durfte, hatten sich die n wie durch ein Wunder Hokuspokussimsalabim in u zurück verwandelt. Im Handumdrehen sozusagen oder vielmehr im Tafelumdrehen. Mein Fräulein Maier, wie man früher zur Lehrerin sagte, war einfach zauberhaft. Sie war sehr beliebt, obwohl sie manchmal streng sein konnte, wenn wir über die Stränge geschlagen haben. Aber mit ihrer Art erreichte sie mehr bei uns, als mit Tatzen, die zu dieser Zeit noch an der Tagesordnung waren. Ich möchte mich ja nicht selbst loben, aber ich war eigentlich eine sehr strebsame und in einigen Fächern gute Schülerin. Dennoch kassierte ich in meinen acht Schuljahren drei Hiebe mit dem Stock auf die Hände. Einmal weil ich die Hausaufgabe vergessen hatte, einmal weil ich meiner Banknachbarin beim Tafeldienst aus Spaß den Rock hochhob und einmal weil ich beim Wandern durch den Wald trotz Verbot Blumen gepflückt hatte. Nicht von Fräulein Maier, sondern von einem gewissen Lehrer Dittmann, der mir nicht grün war. Die Antipathie beruhte sehr bald auf Gegenseitigkeit.
Was damals kein Einzelfall war, ist heute zu Recht undenkbar. Aktuell ist es eher so, dass Lehrer/innen über Disziplinlosigkeit und Handgreiflichkeiten seitens der Schüler klagen, besonders an den sozialen Brennpunkten.
Wertevermittlung ist für junge Menschen genauso wichtig wie Bildung
Die Erziehung beginnt ganz klar im Elternhaus und zwar bereits im frühen Babyalter. Lehrer sind überwiegend für die Bildung ihrer Schüler verantwortlich, Eltern müssen ihren Kindern die Werte beibringen, die sie zu einem gesellschafts-und lebensfähigen Menschen machen. Nur wenn Eltern und Lehrkräfte an einem Strang ziehen, kann Erziehung gelingen. Man sieht es an vielen jungen, anständigen, netten Leuten. Leider gibt es aber auch negative Beispiele, denen jeglicher Respekt gegenüber anderen Menschen fehlt.