Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen
Immer die Augen der Saatkartoffel und damit den Ertrag im Blick
Wenn mein Enkel David in den großen Ferien Mir ist sooo langweilig sagte, dann konterte Opa Xaver sofort mit Uns war nie langweilig. Wir versteckten im Frühjahr Kartoffel und suchten sie im Herbst wieder. In der Tat wurden die Bauernkinder unserer Generation früh zu allerlei landwirtschaftlichen Arbeiten herangezogen. Kinderarbeit war damals ganz normal, denn jede helfende Hand wurde dringend gebraucht.
Im Frühjahr galt es die Saatkartoffeln zu sortieren. Die größeren wurden halbiert. Peinlichst wurde darauf geachtet, dass bei jeder ein Auge verblieb. Daraus wachsen die Keime der Kartoffeln, die dann gemeinsam auf dem Acker eingebracht wurden.
Einer hackte mit der Harke auf dem Bifing ein Pflanzloch und der andere warf die Saatkartoffel hinein, das dann wieder zugeackert wurde. Später kam das Dippelgerät zum Einsatz, das Abstand und Reihe vorgab. Dem folgte die Kartoffellegemaschine, die alle Arbeitsgänge bewerkstelligen konnte. Auch sie wurde im Laufe der Zeit nochmals modernisiert. Vor dem eigentlichen Setzvorgang wurde der Boden mit Grubber und Kreiselegge aufgelockert. Die Ernte der Erdäpfel wie die Kartoffeln in Bayern genannt werden, ging früher ebenso wie das Vorbereiten und Setzen mit Handarbeit bzw. Harke vonstatten. Danach kam der Kartoffelroder. Heute übernehmen dies in großen und modernen Betrieben die Vollernter. Während im Jahr 1950 für den Anbau und Ernte eines Hektars Kartoffeln noch 320 Arbeitsstunden notwendig waren, so sind es heute nur noch 25 Stunden.
Kartoffeln gehörten im und nach dem Krieg zum Hauptnahrungsmittel
Eine besondere Bedeutung kam der Kartoffel in den Nachkriegszeiten zu, wo Lebensmittelknappheit und demzufolge auch Hungersnot herrschte. Ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, dass meine Tante jede Woche von der Hofleiten bei Rosenheim mit dem Rad, schon auf der Hinfahrt bepackt mit zwei Kleinkindern, zum Bauernhof der Eltern in Lohen/Gemeinde Vogtareuth fuhr, um Kartoffeln, Eier, Milch, Obst und Gemüse für ihre fünfköpfiche Familie zu holen.
Hamstern war damals gang und gebe. Wohl dem, der ein Grundstück, einen Garten oder eine Möglichkeit hatte, Feldfrüchte anzubauen und Nutztiere zu halten. Kartoffeln und Steckrüben gehörten einmal zum Hauptnahrungsmittel, ja zum Über-Lebensmittel.
Im Gegensatz zu meinen Eltern, die den 2.Weltkrieg und seine Schrecken erlebt haben, musste ich kein Gras essen, wie mein Vater in der Gefangenschaft. Obwohl wir nicht viel hatten, brauchte ich nie hungern, sondern wurde immer satt. Meine Mutter verstand es, aus wenigen Lebens-und Nahrungsmitteln stets eine schmackhafte Mahlzeit auf den Tisch zu zaubern. Bonbons und Schokolade gab es allerdings nur zu besonderen Anlässen. Genauso wie Fleisch und Würstchen. Umso größer war der Appetit darauf. So verdrückte ich an Fronleichnam nach der Prozession fünf Paar Wienerwürstchen.
"Pomm Fritz" gehören für die meisten Kinder zur Lieblingsspeise
Auch heute ist es für den Großteil der Bevölkerung selbstverständlich, dass die Kartoffel günstig und in großer Auswahl in den Läden bzw. Supermärkten zur Verfügung steht. Es gibt zahlreiche Produkte davon, wie Puffer, Klöße, Pürree, Chips, Röstis, Kroketten und natürlich Pommes. In diesem Zusammenhang klingen mir noch die Worte meiner damals noch kleinen Tochter Carina in den Ohren: Mama, i bin so froh, dass de Pomm Fritz ned aus Kartoffe san . Pell-oder Bratkartoffel wie auch Kartoffelsalat mochte sie nämlich nicht. Wie die meisten Kinder damals wie heute war sie heiß auf Pommes frittes. Ich ließ sie in dem Glauben, bis sie schließlich selbst darauf gekommen ist. Sie hat eingesehen, dass man erst probieren muss, bevor man sich ein Urteil bilden kann.