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Jeden Tag quillt das elektronische Postfach noch mehr über
Ob vor Weihnachten oder nach Weihnachten - es ist inzwischen egal zu welchem Fest, zu welcher Jahreszeit und Tageszeit: das elektronische Postfach quillt über. Die Flut von Emails gleicht einem Tsunami und dieser bedeutet eine Katastrophe. Wahrscheinlich erscheint der Vergleich in diesem Zusammenhang etwas geschmacklos, ist aber im übertragenen Sinne gemeint, denn der Großteil der Empfänger fühlt sich zunehmend von der Anzahl der eingehenden elektronischen Post überrumpelt und nicht mehr Herr der Lage. Die Situation hat man als Nutzer selbst heraufbeschworen, in dem man meist sehr unüberlegt seine Daten im Internet preisgibt, darunter auch die Email-Adresse. Aber wer will schon gerne in zwei oder drei Tagen 350 Emails und mehr durchschauen und dabei die Spreu vom Weizen trennen müssen. Diesen sehr intensiven Zeitaufwand könnte man beileibe für wichtigere Dinge nutzen.
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Das erste E-Mail war ein Selbstgespräch von Computer zu Computer
Der Programmierer Ray Tomlinson, der in einer Computerfirma im größten US-Bundesstaat Massachusets arbeitete, hat sich diese Entwicklung bestimmt in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können, als er 1971 ein paar Buchstaben in seinen Computer tippte und auf den Sendeknopf eines Email-Programms drückte. Die Nachricht landete kurz darauf bei ihrem Empfänger - einem anderen Computer von Tomlinson, der einige Meter entfernt stand. Die erste E-Mail der Welt war sozusagen ein Selbstgespräch. Wie bei vielen Erfindungen, ist auch hier ein heftiger Streit entbrannt, da weitere Personen den Anspruch für sich erheben.
Wie auch immer, die Digitalisierung von Botschaften und Kommunikation hat Ende des 20. Jahrhunderts eine Dynamik entwickelt, die kaum mehr einzudämmen ist. Im Jahr 2018 werden laut Schätzung des Marktforschungsunternehmens Radicati-Group rund 140 Milliarden geschäftliche Emails verschickt. Wahnsinn - oder? Da fällt mir unweigerlich Goethes Zauberlehrling ein, in dem es heißt:
die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los.. Zweifelsohne ist diese Art, Nachrichten in Windeseile zu versenden, ein Segen. Aber zugleich ist es ein Fluch, denn die ständig zunehmende Anzahl der Emails gehen mit Stress einher. Sie können auch beträchtliche Schäden nicht nur am Computer anrichten, sondern auch an Leib und Seele, Zu viel am Computer sitzen schadet nämlich der Gesundheit. Zum Beispiel leidet der Rücken, Arme und Hände und nicht zuletzt die Augen darunter. Es besteht Gefahr der Selbstausbeutung und die Abnahme von sozialen Kompetenzen. Die elektronische Post erlaubt sogar einen Blick in die Psyche des Menschen, sagen Informatiker und Kommunikationswissenschaftler, die in ihren Studien die Email gar nicht so gut wegkommen lassen. Das ständige Pling, wenn ein Email eintrudelt, lenkt ab und die Konzentration für eine Tätigkeit ist blitzartig wie weggeblasen. Die Neugier überwiegt, obwohl es zum Großteil nur unwichtige Nachrichten sind, denn Dringendes ist auch mit einem Telefonat zu erledigen Abends wissen manche nicht mehr, wo der Tag geblieben ist. Dennoch macht sich ein Gefühl der Ausgelaugtheit und Erschöpfung breit.
Einesteils wichtige Errungenschaft, andererseits nervige Plage
Ich selbst bediene mich selbstverständlich auch gerne und oft dieser bequemen Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung. Gleichzeitig ärgere mich aber darüber, wenn ich wieder unzählige Emails im Posteingang habe, denen ich mich postwendend entledigen muss, um meinen neuen Computer nicht schon wieder zuzumüllen.
Ich glaube, ich bin nicht allein, wenn ich mir manchmal die Zeit zurückwünsche, als nur der Postbote an der Haustür klingelte, um einen Brief oder eine handgeschriebene Postkarte zu überbringen, was wiederum mit einem belanglosen Ratsch einherging. Diese Zeiten sind endgütltig vorbei. Gerade dass einem nicht die Zeitung, wie in Amerika üblich, vor die Türe geworfen wird. Aber sonst herrscht Hektik in allen Bereichen. Die Päckchenausfahrer strecken einem beim Öffnen der Türe genervt Ware und Unterschriftenpad gleichzeitig vor die Nase und die Briefträger sind auch schnell mit Vermerken wie mit nicht Zuhause angetroffen , wenn man nicht bei drei an der Haustüre ist.
Umso einfacher die Zeiten der digitalen Postzustellung werden, desto schwieriger scheinen sie zu werden, wenn es um die Verständlichkeit geht. Knappe Formulierungen führen zu Mißverständnissen und Unterscheidungen zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie sind schwer erkennbar. Das selbe gilt für Angst, Trauer und Wut, die man in Emails nicht entsprechend rüber bringen kann. Genauso ist es mit Witz und Humor des Senders, der vom Empfänger oftmals nicht so verstanden wird, wie er gemeint war.
Ganz ungeeignet erachte ich Emails wenn es um Nostalgie und Gefühle geht. Es geht doch nichts über die Magie eines handgeschriebenen Liebesbriefes auf feinem Papier, den man aufbewahren kann und der an die Jugendzeit erinnert. Emails löscht man und damit die Vergangenheit.