Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen
Die 68er-Bewegung ist am Land irgendwie und sowieso vorbeigegangen
Die Wilden 68er auf dem Land bestanden aus Generationsdifferenzen
50 Jahre ist es her, dass die 68-Bewegung von sich reden machte. Die Jugend protestierte gegen starre Strukturen, den Vietnamkrieg, die heuchlerische Sexualmoral, die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus und überhaupt, passte vieles nicht. Das passierte hauptsächlich in den Städten. Ich bin auf dem Land in einem kleinen Nest aufgewachsen. Da bekamen wir das alles gar nicht so mit. Dennoch richteten wir uns nach dem allgemeinen Trend, denn Zeitungen, Illustrierte, Radio und Fernsehen gab es ja schon. Der Minirock setzte sich durch und die jungen Männer trugen längere Haare. Mein Vater war entsetzt darüber, als auch meine Röcke kürzer wurden. Eindringlich warnte er mich: So gehst du mir nicht aus dem Haus. Und das eine sage ich: dir, mit so einen Langhaarigen brauchst du dich gar nicht blicken lassen! Er meinte die Beatles, die gerade ihren Durchbruch hatten. Oft saß ich auf dem Küchenbuffet und hörte ihre Songs rauf und runter. Noch mehr Elvis Presley, den ich sehr verehrte. Gleichermaßen die Rolling Stones. Ich drehte den neuen Radio volle Kanne auf, bis die alte Nanni, unsere Vermieterin, wieder wetterte und schimpfte.
Mein Vater verbot mir strikt, einen Minirock zu tragen. Als brave Tochter hielt ich mich daran, aber nur solange, bis ich außer Sichtweite von Papa war. Dann stülpte ich den Bund solange um, bis der Rock mini war. Auch interessierte ich mich ab dem 14. Lebensjahr für das andere Geschlecht. Mein erster Freund hieß Gregor und hatte, was die Meinung meines Vaters betraf, eine grenzwertige Frisur. Der nächste hieß Renato und war Italiener. Er hatte gleich zwei Schönheitsfehler, die mein Vater niemals toleriert hätte. Er war Italiener (Itaker,Katzlmacher) und hatte noch längere Haare wie Gregor.
Ich möchte festgestellt wissen, dass die Beziehung zu den beiden Burschen nur platonischer Natur war und nach einigen Wochen wieder ad acta gelegt waren.
Mein Vater hatte Glück, dass ich mit 15 Jahren Hans Jörg kennenlernte, der sich ein wenig ernster für mich interessierte. Er war 8 Jahre älter, hatte kurze Haare, war Student, stammte seines Redens aus einer gut situierten Familie und er fuhr eine Vespa. Auf dem Damensitz fuhr ich mit ihm zum Tatzelwurm das Sudelfeld hinauf. Im Sommer war es zweifelsohne ein schönes Erlebnis, das ich genoss. Weniger Begeisterung empfand ich bei der Silvesterparty in der Nähe von Rosenheim. Bei zapfigen Temperaturen mit luftigem Ballkleid, Perlonstrümpfen und Stöckelschuhen und nur einem leichten Mäntelchen kam ich schon zitternd wie Espenlaub dort an. Auch was danach kam, riss mich nicht vom Barhocker. Hans-Jörg und seine Kommilitonen faselten von Fundis und Realos und führten hochtrabende Gespräche, wovon ich als absolute Landpomeranze nur Bahnhof verstand. Uns trennten Welten und bald darauf trennten wir auch uns. Dass ich seinem Bildungsstand nie gerecht geworden wäre, erfuhr ich erst später. Ich sah ihn nach vielen Jahren im Fernsehen als Professor und Diplom-Ingenieur wieder. Er war inzwischen in der Technischen Universität München als Dozent (Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik) tätig.
Bei mir waren die Wilden Jahre vorbei, ehe sie begonnen haben
Die 68-er-Bewegung ist bis auf ein paar Kleinigkeiten an mir vorüber gegangen. Ich hätte gar keinen Grund gehabt, mich daran zu beteiligen. Es ging mir gut. Ich hatte Eltern, die in bestimmten Situationen etwas streng waren, aber im Prinzip nur das Beste für mich wollten.. Ich hatte die Volksschule gut beendet, hatte eine Lehrstelle, dann einen guten Arbeitsplatz und auch sonst war in meiner kleinen Welt alles in Ordnung. Warum sollte ich protestieren? Außer Aufmüpfigkeit gegen einige Verbote und Anweisungen, die ich nicht akzeptieren wollte, habe ich mir nichts vorzuwerfen. Auch möchte ich erwähnen, dass meine Eltern auf die damalige Zeit sehr tolerant waren, weil sie wussten, dass ich ihr Vertrauen nie missbrauchen würde. Dass sie mit der vorgenannten Entwicklung nicht klar kamen und die Jugend im Allgemeinen kritisierten, kam allerdings schon vor. Die Zeiten hatten sich gegenüber ihrer Jugend extrem verändert.
Kritik an Jugendlichen gibt es schon seit 5000 Jahren, Die Vorgänger haben schon immer kein gutes Haar an den Nachfolgern gelassen, was folgende Zitate belegen
Schon 3000 vor Christus schrieb man auf eine Tontafel: Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte.
Oder: Die Kinder von heute sich Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)
Bis heute hat sich nichts daran geändert. Die Jugendlichen sind nach wie vor der Meinung: Wir lassen uns nicht sagen, was wir denken!
Aktuell hat man vorrangig die Sorge, dass die Jugend zunehmend verroht.
Schuld ist meines Erachtens die Welt der Erwachsenen, wenn die Jugendlichen immer mehr in eine visuelle Scheinwelt eintauchen, in der Handy-Internet-und Gewaltspiele eine vorrangige Rolle spielen. Sie nehmen oft die Realität, in der sie sich zurecht finden müssen, nicht mehr wahr.
All diejenigen, die den Jugendschutz nicht ernst nehmen und es den Jugendlichen leicht machen, an nicht für sie bestimmtes Anschauungs-und Spielematerial zu kommen, müssen sich gefallen lassen, dass sie eine Mitschuld trifft, wenn Jugendliche psychisch und physisch krank werden oder Straftaten begehen.