Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen
Ich wäre als Kind beinahe ertrunken, weil ich nicht schwimmen konnte
In der Sommerhitze ist für viele Menschen eine Abfrischung im kühlen Nass ein Highlight. Wohl dem der einen See oder ein Schwimmbad in der Nähe hat. Doch wer nicht schwimmen kann und sich nicht an die Verhaltensregeln hält, für den kann es unter Umständen ganz schön gefährlich werden.
Ich habe diesbezüglich bereits in meiner Kinderzeit negative Erfahrungen gemacht, denn ich wäre beinahe im Hofstätter See ertrunken. Das kam so: Ich radelte, weil meine Eltern arbeiteten, alleine dorthin, wo ich mich mit einigen meiner Freunde und Freundinnen traf.
Wir wollten keine Zeit verlieren und stürzten uns wie jedes Mal mit Vergnügen ins Wasser. Der See ist am Ufer ziemlich seicht, geht dann aber nach ein paar Metern abrupt nach unten, wo Kinder in meinem damaligen Alter von 9 bis 10 Jahren nicht mehr stehen können.
Ich wusste das und mein Vater hat mich oft genug davor gewarnt. Schon lange wollte er mir das Schwimmen beibringen. Er hat es mit zusammengebundenen Schilf als Schwimmhilfe versucht, weil Schwimmflügel oder Schwimmreifen gab es damals noch nicht. Irgendwie hatte ich nicht das notwendige Interesse daran. Weil aber ältere Freunde und Freundinnen bereits zur hölzernen ungefähr 30 Meter vom Ufer entfernten Planke schwimmen konnten, wollte ich dies mit Hilfe eines Balles schaffen, wie ich es schon so oft im seichten Bereich geübt hatte. Dieses Unterfangen hatte ich jedoch total unterschätzt, denn der Ball glitt mir aus den Händen und sprang weg.
Momentan strampelte ich wie wild umher und versuchte den Ball wieder zu bekommen. Doch dann verließen mich die Kräfte und ich ging unter. Es waren jede Menge Leute beim Baden und obwohl es mir immer wieder kurz gelang, mit den Händen beziehungsweise den Fingerspitzen nach oben zu gelangen, um mich bemerkbar zu machen, nahm niemand Notiz von mir. Ich sah mein bisheriges kurzes Leben an mir vorbeiziehen. Plötzlich packte mich jemand am Arm, zog mich an die Wasseroberfläche, nahm mich Huckepack und trug mich zum seichten Seeufer, wo ich wieder stehen konnte. Ich hatte schon jede Menge Wasser geschluckt, aber es ist noch mal gut gegangen. Es war ein älteres Mädchen names Dorle aus Zaisering, die mich ganz zufällig gesehen hat, weil sie nach einer Freundin suchte, die zur Planke geschwommen war.
Es dauerte ein wenig, bis ich mich nach diesem unliebsamen Vorfall wieder erholt hatte, nachdem ich schon etwas blau angelaufen war. Nachdem ich eine Weile auf Dorles Decke gelegen hatte, zog ich mich schnell an, packte meine nassen Badeutensilien in meine Tasche und radelte nach Hause. Meinen Eltern habe ich von meinem gefährlichen Unterfangen nichts erzählt, sonst hätten sie mich nicht mehr alleine dort hinfahren lassen. Als ich selbst die Geschichte überdacht und meine riskante Vorgehensweise eingesehen habe, begriff ich, welch großes Glück ich gehabt habe, dass Dorle meine lebensbedrohliche Situation unter all den Badegästen erkannt hatte. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich mich nach diesem Schrecken nicht einmal bedankt habe. Ich kaufte mit meinem spärlichen Geld, das ich von einer Tante geschenkt bekam, nach der Schule beim Kramer in Zaisering eine Tafel Blockschokolade und ging zu Dorle. Sie wohnte direkt hinter dem Gasthaus Hofmüller. Als ich ihr meine Dankesgabe überreichte, meinte sie: „Das war doch eine Selbstverständlichkeit“. Für mich war es ein absoluter Glücksfall und mir war klar: „Nur weil ich nicht schwimmen konnte, wäre mein Leben bald baden gegangen!“
Badeseen wurden früher auch gerne für die Körperpflege genutzt
Der Hofstätter See ist ein kleiner Badesee zwischen Vogtareuth und Prutting im Landkreis Rosenheim in Oberbayern.
Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, aber man hatte früher nicht immer die Möglichkeit, sich an heißen Sommertagen zu erfrischen, geschweige denn die Körperpflege so intensiv zu betreiben, wie das heute der Fall ist. Heute, so würde ich behaupten, übertreibt man es ein wenig, vor allem mit dem Duschen.
Zu meiner Kinderzeit fand der Badetag für die ganze Familie am Samstag statt. Es war ein festes Ritual. Da wurde die Zinkwanne aus dem Schuppen geholt und in die Stube gestellt. Im großen Topf, in der man damals die weiße Wäsche ausgekocht hat, wurde das Wasser am Holz-und Kohleherd erhitzt, anschließend in die Wanne geschüttet und mit kaltem Wasser aus dem Ausguss im Flur vermischt. Darin badeten nacheinander alle Familienmitglieder, wobei es schon vorkam, dass das Wasser nicht bei jedem gewechselt wurde. Dieses Prozedere war bei den meisten Familien gleich. Ein extra Badezimmer hatten damals nur reiche Leute. Für uns war dieser Luxus unerreichbar. So war der See natürlich beliebt.
Mein Vater hat sich nach der Arbeit auf dem Bau die Kernseife und ein Handtuch geschnappt und ist mit seinem Moped zum See gefahren. Er seifte sich im See ein und tauchte dann unter. Schon war die Körperhygiene abgeschlossen und aufgeregt hat sich darüber niemand. Im Gegenteil - der Hofstätter See war die große Badewanne für alle Bürger, denen nach Erfrischung und Reinigung zumute war. Im Winter war er ein beliebter Austragungsort und Übungsort der Eisstockschützen und Schlittschuhläufer.
Der Hofstätter-See ist ein Moorsee mit nur maximal vier Meter Wassertiefe
Wenn ich heute so darüber nachdenke, dann hätte es böse ausgehen können mit dem vorgenannten Badeunfall. Denn unter dem Seegrund befindet sich eine beachtliche Schlammschicht. Hätte mich Dorle nicht rechtzeitig rausgezogen, wäre ich wahrscheinlich immer mehr versunken und nicht nur ertrunken, sondern auch nicht mehr auffindbar gewesen. Trotz dem schlimmen Erlebnis habe ich komischerweise kein Trauma davon getragen. Obwohl, ich hatte schon manchmal beängstigende Träume dahingehend, dass ich nur Füße im Wasser gesehen habe. Unzählige Hände drückten mich immer wieder runter. Ich kam einfach nicht an die Oberfläche. Als ich wach wurde, war ich heilfroh und dankbar, dass ich lebte. Es gab in Wirklichkeit schließlich eine Hand, die mich gerettet hat. Durch diese positive Einstellung habe ich die Lust am Baden im Hofstätter See und den Spaß, den ich dort mit meinen Freunden dort hatte, nicht verloren. Im Gegenteil, der Wille Schwimmen zu lernen war stärker, als die Furcht, wieder unterzugehen. Ich bin vom Sternzeichen Steinbock und deshalb hartnäckig und stur. Ich lernte es zumindest so gut, dass ich ohne Probleme mit den anderen Kindern zur Planke rausschwimmen konnte. Wie, weiß ich auch nicht mehr, denn eine richtig gute Schwimmerin wurde ich nie.
Der Hofstätter-See war in meiner Kinderzeit nicht wegzudenken. Was heute die Erlebnis-und Spaßbäder sind, war für uns „unser Hofi“. Kaum kamen die ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr, probierten wir vorsichtig mit den Zehen, dann den Füßen, den Waden bis zu den Knien, ob man in Kürze schon die Badesaison eröffnen könnte. Das ging in der Tat rascher als bei anderen Seen in der Gegend, denn ein Moorsee wird schnell warm, kühlt aber auch geschwind wieder ab und friert schnell zu. Wegen seiner schneller Erwärmung gehört der Hofstätter See zu den wärmsten Badeseen im Landkreis Rosenheim. Leider war ich schon ewig nicht mehr dort, was ich aber demnächst nachholen möchte.
Im Backfischalter war vorübergehend das Freibad in Rosenheim angesagt
Da wir nur sieben Kilometer von Rosenheim entfernt wohnten, bin ich als Backfisch (später sagte man Teenager beziehungsweise Teenie dazu) gerne ins Freibad, das sich bis heute in der Chiemseestraße in Rosenheim befindet, geradelt, zumal hier nicht nur Einheimische aus der Gemeinde Vogtareuth und Prutting vertreten waren, sondern viele aus Rosenheim und Umgebung. Freibad war zu dieser Zeit „in“, so würde man es heutzutage ausdrücken. Sehen und gesehen werden, war damals auch schon ein Thema. Der schicke neue Badeanzug oder der schöne Bikini sollte schließlich seine gebührende Bewunderung finden. Das schäkern und necken zwischen Buben und Mädchen gehörte selbstverständlich dazu. Es ist der Jugendzeit geschuldet und ganz normal.
Kriminelle Agressivität, Anpöbeleien, Mobbing und mehr, so wie es heute mancherorts der Fall ist, kannten wir früher gar nicht und ist auch nie vorgekommen, solange ich ins Schwimmbad Rosenheim ging. Da wurde höchstens mal ein Geldbeutel von der Liegewiese geklaut, aber da war sowieso nie viel drinnen, höchstens vielleicht ein paar Mark, um sich ein Eis oder eine Wurstsemmel zu kaufen.
Mit meinen drei Kindern bin ich nicht viel zu Badeseen gefahren. Ich war bis auf ein paar Babypausen immer berufstätig und später im Büro unseres Baugeschäftes beschäftigt. Da fehlte einfach die Zeit dazu. Deswegen baute mein damaliger Mann und Vater meiner Kinder, der Maurermeister ist, in unserem Garten vor der Terrasse ein kleines Schwimmbad. So lernten sie schon früh schwimmen. Als sie größer waren, zog es sie eher an den heimischen Baggersee in Halfing Landkreis Rosenheim, um sich dort mit Freunden zu treffen und den Badespaß zu genießen. Genau wie ich früher. Ich schloss mich auch dem allgemeinen Trend an. Ein Beweis dafür, dass sich alles im Leben wiederholt.
Rückwirkend betrachtet geht trotz dem schönsten Freibad und privaten Swimmingpool nichts über heimische Badeseen. Ich behaupte, dass sie mit fernen Gewässern, an denen jährlich der Urlaub verbracht wird, durchaus konkurrieren können.
Ich bin in meinem sieben Jahrzehnte langen Leben schon viel in der Weltgeschichte herumgekommen. Es war zugegebenermaßen schön, über den Tellerrand der Heimat hinaus gesehen und dabei in einigen fernen Gewässern gebadet zu haben. Ob in Österreich, in Italien, in Ungarn, Mallorca, Andalusien, Kenia, Venezuela, Thailand, und noch einigen schönen Badeorten: es war schön und aufregend, auch manchmal anstrengend. Ich kam nach der Rückkehr immer wieder zu dem gleichen Resultat: "Dahoam is dahoam"
Heute bin ich nicht mehr urlaubsreif, ich bin genügsam , ja sogar urlaubsmüde geworden . Ich möchte nicht mehr im Urlaub um sechs Uhr morgens aufstehen, um das Handtuch auf die Liege zu legen, um sich einen Platz am Badestrand zu sichern.
Auch nicht in der Bruthitze ohne Klimaanlage im Auto mit quängelnden Kindern im Auto sitzen, Durst und Hunger haben, weil wir im Stau hängen geblieben sind und die nächste Raststätte mit Toilette noch Meilen weit entfernt ist. Oder gar um 23 Uhr nachts am Ziel ankommen, wo in keinem Hotel ein Zimmer frei ist und wir deshalb im Auto schlafen müssen, nur weil der Partner gegen eine frühzeitige Buchung ist und „Spontanität“ vorzieht. Mein jetziger Mann und ich bevorzugen es bequemer. Wir verreisen ab und an mit dem Bus, aber nicht mehr so weit, wie früher, wo wir beispielsweise 900 Kilometer am Stück mit dem Bus durch Skandinavien gefahren sind. Wir genießen die Entschleunigung in unserem Rentnerdasein. Die Prioritäten haben sich gründlich verschoben.
Den Spaß am Wasser mit unerlässlichen Schwimmunterricht verbinden
Im Wasser sind Kinder in ihrem Element. Sie haben jede Menge Spaß und Vergnügen. Das fängt schon bei den Säuglingen an. Quietschfidel plantschen sie in der Baby-Badewanne mit Händchen und Beinchen.
Der frühe vertraute Umgang mit Wasser nimmt den Kindern die Scheu und lässt sie später zu sicheren Schwimmerinnen und Schwimmern werden.
Das macht nicht nur Spaß, sondern stärkt auch deren Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich sicher, stark und fit. Im Vertrauen auf die eigenen Kräfte begegnen und meistern sie Gefahrensituationen im Wasser schneller und sicherer. Schwimmen rettet Leben – das eigene und manchmal auch das Leben anderer.
Schwimmen lernen darf man aber nicht allein den Schulen aufbürden. Die Eltern sind gefordert. Sie sollten deshalb eigeninitiativ handeln und ihren Kindern selbst das Schwimmen lernen. Sehen sie sich selbst nicht in der Lage und bieten auch Bildungseinrichtungen diesen wichtigen Unterricht nicht an, so sollten sich die Erziehungsberechtigten unbedingt darüber informieren, wo ihre Kinder einen Schwimmunterricht absolvieren können. Jedes Kind sollte nicht nur, sondern muss schwimmen können. Gleichermaßen selbstverständlich die Erwachsenen, die eine Vorbildfunktion und Verantwortung für ihre Kinder haben.
Ich selbst hatte einmal einen furchtbaren Schock. Wir waren in Mallorca und die Kinder wollten sofort nach Bezug unseres Hotelzimmers ans Meer. Sie zogen ihre Badeklamotten an und ab ging es an den Strand, der sehr überfüllt war. So suchten wir zunächst nach einem Plätzchen, wo wir uns niederlassen konnten. Plötzlich merkte ich, dass unser fünfjähriger Sohn nicht mehr da war. Ich geriet in Panik und schrie wie verrückt seinen Namen. Aber die Suche gestaltete sich in Anbetracht der vielen Menschen, die sich im Wasser tummelten, äußerst schwierig. Gottlob hatte er mich seinen Namen rufen hören und fuchtelte mit den Armen hin und her. Er stand schon bis Oberkante Unterlippe im Wasser. Es hätte nicht viel gefehlt und die Strömung hätte ihn weiter hinaus gespült. Er konnte zwar schon schwimmen, aber es war auf alle Fälle gefährlich, denn das Meer ist nicht das heimische Schwimmbecken. Es hat seine Tücken und deshalb hätte es dumm ausgehen können. Obwohl wir ihn schimpften, weil er unsere Belehrungen ignorierte, war ich heilfroh, ihn wieder in die Arme schließen und abbusseln zu können.