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Meine Mutter setzte stets auf die Heilkraft der Natur

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Gegen jedes Wehwechen ist ein Kraut gewachsen

Endlich habe ich mich mal aufgerafft, um zu stöbern, wie man in Bayern zum Großreinemachen sagt. Genauer gesagt, habe ich mich zuerst an den Wohnzimmerschrank gemacht, um diesen auszuräumen, auszumisten, zu säubern und wieder neu einzuräumen. Viel zu viel Krimskrams bzw. Kriwuskrawus hatte sich seit unserem Umzug in unser neues Haus, das wir im Winter 2016 bezogen haben, angesammelt. Da wir nur mehr begrenzt Stauraum zur Verfügung haben, muss man sich auf das Wesentliche beschränken und aussortieren, was weg kann. Dabei ist mir das "Große Buch der Naturmedizin" in die Hände gefallen, das alte und neue Heilmethoden und ihre Anwendung beschreibt. Prompt bin ich dabei hängen geblieben und habe mich ein wenig darin vertieft. "Wenn es um ihre Gesundheit geht, vertrauen immer mehr Menschen auf natürliche Heilverfahren, die oft eine sinnvolle und preiswerte Alternative zur schulmedizinischen Therapie bieten - ohne Nebenwirkungen" heißt es unter anderem darin, wobei selbstverständlich die Lebensweise für den Erhalt von Gesundheit und Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielt und die Tipps auch keine Garantie versprechen, dass sie so wirken, wie sie beschrieben werden. Das ist wiederum der Tatsache geschuldet, dass jeder Mensch anders auf die beschriebenen Anwendungen reagiert. Es liegt also in der Verantwortung eines jeden selbst, der Heilkraft der Natur zu vertrauen. Ich finde das Buch äußerst interessant und will es daher auf keinen Fall wegwerfen. Im Gegenteil - ich möchte Gleichgesinnten, die wie ich, die mit natürlichen und traditionellen Heilmitteln groß geworden sind und nicht gleich die chemische Keule anwenden möchten, gemäß dieses Buches Ratschläge und Tipps geben, wie man alternativ an die Wehwechen ran gehen könnte. 

Arnika war das Allheilmittel meiner Mutter und war immer vorrätig

Da die heimische Heilpflanze "Echte Arnika" auf kalkfreien, sauren und feuchten Magerwiesen, aber auch im Randbereichen der Moore wächst, begaben wir uns alljährlich auf eine Wiese in Haidbichl in der Nähe des Hofstätter-Sees im Landkreis Rosenheim. Dort pflückten wir die hübschen, leuchtend gelben Blumen. Ein paar Sträuße mussten es schon sein, so meine Mama, die weniger deren Schönheit im Blick hatte, sondern vielmehr das Bestreben, für das ganze Jahr genügend Arnika vorrätig zu haben.

Weil eine Reihe von Pflanzenarten - darunter auch Arnika - so häufig gehandelt werden, überwacht heutzutage die EU den Import , um gegebenenfalls Schutzmaßnahmen zu setzen.  Inzwischen steht sie unter Naturschutz und darf nicht mehr so einfach gesammelt werden, sondern sollte im eigenen Garten eingepflanzt werden. Auch kann man getrocknete Blätter in Apotheken kaufen.

 

Arnika erinnert ein wenig an die Ringelblume, der man ebenfalls eine probate Heilwirkung nachsagt. Erstere ist jedoch intensiver, heftiger und rauer in ihrer Wirkung, die als antibakteriell, entzündungshemmend, krampflösend, schmerzstillend und blutreinigend beschrieben wird.. Allerdings sollte bei ihrer Anwendung in Betracht gezogen werden, dass sie eventuell die Haut reizen und bei manchen Menschen Allergien auslösen kann.

 

Für Menschen hingegen, die die Arnika vertragen, ist sie aber eine wunderbare Heilpflanze gegen viele Arten von Verletzungen des Bewegungsapparates. Auch Entzündungen der Haut und Ekzeme können durch verdünnte Behandlungen mit Arnika gelindert werden. Obwohl die Haupteinsatzgebiete der Arnika äußerlich sind, kann man sie auch innerlich gegen Erkrankungen der Atemwege einsetzen.

 

Als Kind habe ich mich natürlich nicht so sehr interessiert, wie meine Mutter die Arnika-Tinktur hergestellt hat. Ich kann mich nur erinnern, dass sie nach Rosenheim gefahren ist, um sich aus einer Apotheke reinen Alkohol zu besorgen. Auch dass sie, genauso wie beim Einkochen und Einwecken von Obst und Gemüse jeglicher Art, unsere rund sechs Quadratmeter große Küche in eine chaotische Hexenküche verwandelt hat, bis der Arnika in den paar Flaschen war,  um gelagert und aufbewahrt werden zu können.

Arnika konnte halb abgehackten und durchgestochenen Finger heilen

Wie wenig wehleidig, ja sogar abgebrüht und hartgesotten die Menschen damals waren, als es im Dorf höchstens ein Telefon gab, der Hausarzt weit entfernt war und man im Notfall weite Wege zu dessen Praxis oder ins Krankenhaus zurücklegen musste, dafür war meine Mutter ein Parade- Beispiel. Frauen waren damals fast gar nicht berufstätig und waren ausschließlich für die Haushaltsführung, die Erziehung der Kinder und für alle anderen anfallenden Arbeiten, die einem guten Familienleben und Wohlgefühl zuträglich waren, zuständig. So war meine Mutter für die Beschaffung und Verarbeitung des Brennholzes zuständig, damit wir im Winter eine warme Stube hatten. Sie sammelte im Wald dürres Holz, zog es mit dem Leiterwagerl heim, spaltete es ofengerecht und schichtete es bis zur Verwendung in unserer Holzlege. Dies alles war eine mühselige und kraftzehrende Angelegenheit. Eines Tages, als sie auf einem Hackstock Holz zu Scheiten klob, passierte es. Blutüberströmt und kreidebleich kam sie in die Wohnung, holte wortlos die Flasche mit Arnika aus dem Schrank und schüttete einen Teil davon über ihren verletzten, halb abgehackten  Finger. Nach einer halben Stunde, nachdem sie sich von ihrem Schock erholt und den Finger mit einer Fatsche (Baumwollbandage) eingebunden hatte,  spaltete sie weiter Holz. Das gleiche machte sie, als sie sich beim Nähen mit der Nähmaschine den Finger durchbohrte. Wehleidigkeit wurde von meiner Mutter als Schwäche angesehen, die sie einfach ignorierte und auch bei anderen so gut wie nicht duldete. Als ich als Kind mal mit dem Rad auf einer Schotterstraße ausgerutscht war und mir dabei beide Knie blutig aufgeschürft hatte, sagte sie nur: "Hör's Plärrn auf, des hamma glei" (Hör das Weinen auf, das haben wir gleich). Gesagt, getan. Knie mit Wasser abgewaschen, Kieselsteine entfernt., Arnika auf einen Waschlappen, auf die Knie gedrückt, Verband darauf, fertig!!. Unbeachtet meiner Schmerzschreie sagte sie: "Bist heirats't  iss wieda guat"

Recht hatte sie.   Alles - ihre Finger, meine Knie und so manches andere Wehwechen sind dank Arnika wieder verheilt. Ich möchte dennoch festgestellt wissen, dass dies meine Geschichte ist und meine Mutter ansonsten eine herzensgute Frau war. Es war halt damals so. Ich möchte beileibe niemand von einem Arztbesuch abraten, besonders nicht wenn es sich um solche Verletzungen handelt, wie beschrieben. Im Gegenteil. Das eine muss aber das andere nicht ausschließen.

Arnikatinktur kann man selbst nach Anleitung herstellen

Die Herstellung der Tinktur ist eigentlich relativ einfach. Man nehme 30 Gramm getrocknete Arnikablüten und lege diese für zwei Wochen in 200 ml Alkohol ein. Es ist nicht erforderlich, teuren Alkohol aus der Apotheke zu kaufen. Stattdessen kann man auch einfach Wodka oder Weingeist für die Herstellung der Tinktur nehmen. Nach den zwei Wochen müssen die Blüten aus dem Alkohol herausfiltert und die Tinktur in eine Flasche umgefüllt werden, die anschließend dunkel gelagert werden sollte. Am besten ist gleich eine braune oder grüne Flasche zu verwenden. Danach einfach die Tinktur noch einmal 10 Tage lang ziehen lassen und schon steht das selbstgemachte Heilmittel zur Anwendung parat. 

Dennoch sollte man daran denken, dass Arnika eine sehr stark wirkende Heilpflanze ist, die niemals unverdünnt angewandt werden darf. Genauso wie sie niemals pur getrunken werden sollte. Die innere Anwendung dieser Pflanze ist generell mit Vorsicht zu genießen, da eine zu hohe Dosierung starke Nebenwirkungen wie beispielsweise Übelkeit, Erbrechen, Herzklopfen und Atembeschwerden hervorrufen kann. Wer also auf Nummer sicher gehen möchte, sollte vor der Anwendung von Arnika einen Arzt oder Apotheker seines Vertrauens befragen.