Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen
Geh weiter Dirndl, magst mit uns essen, für dich reichts auch noch!
Im Gegensatz zu meinem Vater, der im Krieg argen Hunger erleiden musste, wurde ich in eine Zeit (1948) hineingeboren, wo man Nahrungsmittel zwar nicht im Überfluss, aber doch immer soviel hatte, dass man zumindest nicht mit leeren Magen ins Bett gehen musste. Wie schon in Vorberichten erwähnt, wohnten wir bis zu meinen siebten Lebensjahr beim Bauern Hans Wimmer in Aign Gemeinde Vogtareuth. Eigentlich war es der "Schuasta Hans", denn die Leute kannte und benannte man meistens nur mit Hausnamen. Wir hatten Glück mit unserem Vermieter, weil immer etwas für uns abfiel. Egal ob Kartoffeln, Fleisch, Brot, Gemüse und Obst - sie versorgten uns immer mit Lebensmittel, so gut sie konnten. Sie hatten zu meiner Zeit drei Kinder, die Marga, den Hans und den Martin, Sepp kam später erst dazu. Damals war es gang und gäbe, dass mehrere Generationen zusammen in einem Haushalt lebten. Ich kann mich insbesondere noch gut an die "Schuastamuatta" erinnern, die Mutter von Hans. Besonders ihre "Ausgezogenen" (Schmalznudeln), Fischwürste oder Schweinebraten mit Semmelknödel liegen mir gedanklich noch auf der Zunge, denn auf Essen habe ich schon als Kind viel Wert gelegt. Da ich ein Einzelkind war, freute ich mich immer sehr, wenn sie mich einlud. "Geh weida , sitz de zuara zu uns. Auf die geht's a nimm drauf zam" (Setz dich zu uns an den Tisch und iss mit, denn auf dich kommts nicht an, wir haben genug) Dass es mir viel besser schmeckte als bei uns, obwohl meine Mama sehr gut kochen konnte, brauche ich keiner Mutter erzählen. Das war. ist und bleibt wahrscheinlich so. Es war einfach das Zugehörigkeitsgefühl, das mir Geborgenheit und Gemeinsamkeit vermittelte. Damals wie heute brauch(t)en Kinder das Gefühl, behütet und geborgen zu sein. Dazu gehört eine geordnete, sichere Umgebung. Kinder brauchen klare Strukturen, einfache Regeln und jemanden, der Grenzen setzt.
Was mich bei unserer Herbergsfamilie überaus beeindruckte, war die Speisekammer. Sie war immer gut gefüllt. Das G'selchte (Rauchfleisch) und Würste hingen an einer Stange und es roch nach frisch gebackenen Brot. Der selbstgemachte Butter, Hefezopf und "Mamakuchen" (Marmorkuchen) war bei der Schuastamuatta meist vorrätig, sodass keiner Hunger leiden musste. Nur eines bekam ich beim besten Willen nicht runter. Das war die quietschgelbe "Dotschnsuppe" zu hochdeutsch "Kürbissuppe", die heute in renommierten Gasthäusern sehr begehrt ist. Wer allerdings damals heikel war und eine Mahlzeit verschmähte, hatte Pech. Meine Mutter pflegte in diesem Fall immer zu sagen: "Dann muaßt hoid wartn, bis wieda wos gibt" Es gab keine Schokoladen-und Süßigkeiten-Depots, wo man sich heimlich bedienen konnte, wie zur heutigen Zeit. Bei der nächsten Mahlzeit hatte man den nötigen Hunger, der alles in den Mund trieb, auch wenn es mal nicht so schmeckte. Was so kurz nach Kriegsende noch durchaus der Fall war, litt ich keineswegs an Unterernährung und bin ohne Mangelerscheinungen groß geworden. Obwohl - wenn ich darüber nachdenke, dann kann ich mich dunkel erinnern, dass mir Mama in meiner Schulzeit täglich einen Löffel Flüssigkeit aufdrängte. Ich glaube, sie nannte es "Vigantol". Wird schon seine Richtigkeit gehabt haben, zumindest habe ich es überlebt. Ich bin mir sicher, wer von der Wiese Sauerampfer gerupft und gegessen hat, wie wir Landkinder damals, obwohl vielleicht einen Tag vorher der Bauer mit dem Odlfassl (Jauchefass) darüber gefahren ist, ist resistent gegen alles. Was uns nicht umbrachte, machte uns härter. Wenn ich heute darüber nachdenke, war es wirklich ein großes Glück, in einem kleinen Dorf aufgewachsen zu sein und nicht in der Stadt, wo auch etliche Jahre nach Kriegsende immer noch Versorgungsnot herrschte. Viele Menschen fuhren aufs Land zu den Bauern, um zu hamstern oder etwas anboten, was sie gegen Lebensmittel eintauschten. Wir hatten zwar nur zwei kleine Zimmer bei den Wimmers, die nicht abgeschlossen waren, es bei Starkregen im Schlafzimmer von der Decke tropfte und im Winter die Wand vor Kälte glitzerte. Aber ich fühlte mich wohl und geborgen bei der Bauersfamilie Wimmer, wo ich die ersten sieben Jahre meines Lebens unbeschwert und glücklich verbringen durfte. So sind jedenfalls meine Eindrücke, die mir bis heute positiv im Gedächtnis bleiben.
Ein überdimensionaler Wirtschaftsherd für eine viel zu kleine Küche
Meine Bewegungsfreiheit war in meinen ersten sechs Lebensjahren ziemlich eingeschränkt, was unsere Wohnung beziehungsweise unsere zwei Zimmer anbetraf. Abgeschlossene Wohnungen gab es damals so gut wie gar nicht. Jedenfalls nicht auf dem Land. Als meine Eltern heirateten, war ich schon auf der Welt. Sie hatten so gut wie gar nichts, denn das ersparte Geld war wertlos. (Wie bereits in einem der vorhergegangenen Blogberichten erwähnt) Sie waren auf Almosen angewiesen. Das wichtigste war natürlich ein Herd zum Wärmen und zum Kochen. Es war damals so, dass für jene, die überhaupt kein Mobiliar besaßen, von der Gemeinde das Notwendige, so fern es zur Verfügung stand, zugeteilt bekamen.. So hatte es mir mein Vater erzählt. Er hatte sich für einen Küchenherd "beworben" und auch schon einen im Auge. Aber den bekam zu seinem großen Bedauern letztendlich eine Flüchtlingsfamilie. So musste er sich mit einem Unikum begnügen, der die Hälfte unserer kleinen Küche einnahm.
Ich habe ihn, obwohl ich damals noch sehr klein war, noch vor meinem geistigen Auge. Links stand der große Wirtschaftsherd, der bis zur Schlafzimmertüre reichte. Eine kleine Korbbank stand unter dem Küchenfenster, ein kleiner Tisch, ein Sessel, dessen Platz knapp ausreichte, um sich draufzusetzen. Das wars. Aber weil ich so gerne zeichnete und malte, hat mir mein Papa ein Tischchen mit Schublade geschreinert. Er hat es weiß angestrichen. Darauf spielte sich alles ab, womit ich mich beschäftigen konnte. Bis auf einen Holzbaukasten und eine Puppe war kein Platz für weiteres Spielzeug. Ich verbrachte ohnehin die meiste Zeit mit zeichnen und malen. Mit Malstiften konnte man mir die meiste Freude machen. Auch wenn ich sonst nicht gerade ordentlich war, auf Papier, Bleistift, Tafel und Malkreiden habe ich Acht gegeben. Abgesehen davon, dass das Beschäftigungsangebot zu dieser Zeit ohnehin sehr begrenzt war, und schon gar für "unsereiner", hatten wir eigentlich alles, was wir zum Leben brauchten. Ein Dach über den Kopf, eine warme Stube, ein Bett zum Schlafen, Kleidung für Sommer und Winter und vor allen, wir hatten zu Essen. Nicht zu vergessen, es herrschte Frieden und wir hatten uns.
Mit Rabattmarken die Backzutaten für Weihnachtsplatzerl finanziert
Wenn ich meine Erinnerungen und Erfahrungen aus meiner Kinder-und Jugendzeit in diversen Blogartikeln verarbeite, dann geschieht dies natürlich in dem Bewusstsein, das jede Generation ihre eigene Geschichte, Probleme und Schicksale hat. Meine Großeltern mütterlicherseits hatten eine kleine Landwirtschaft in Lohen (Gemeinde Vogtareuth). Sie konnten damit mit Fleiß und Schaffenskraft ihre 8-köpfige Familie ernähren. Selbst im ersten Weltkrieg war immer zu Essen da. Die damaligen Mütter, wie meine Oma, zauberten aus den wenigen Lebensmittel, die sie zur Verfügung hatten, immer etwas Gutes auf den Tisch, das schmeckte und alle satt machte. Der Kühlschrank und die Kühltruhe hielten erst Mitte des letzten Jahrhunderts in der Generation meiner Eltern Einzug. Bestenfalls gab es ein gemeinschaftliches Kühlhaus im Dorf, so wie in Bubach, der Heimat meines Mannes Xaver. Das erklärt auch, dass, wer auch ein noch so ein kleines Sacherl hatte, selbst wenn er nur ein Schwein füttern konnte, ein paar Ziegen oder Schafe im Stall hatte oder Hühner sein eigen nannte, bereits zu den Privilegierten gehörte. Zumindest musste man keinen Hunger leiden, Um Schweinefleisch lange haltbar zu machen, wurde "eingesurt" (gepökelt) und geräuchert. Geselchtes hing bei jedem Bauern in der Speisekammer. Brot wurde selbst am Backofen, der draußen auf dem Hof an einer geschützten Stelle neben dem Haus stand, gebacken. Zur Brotzeit gab es neben Gselchten oft auch eine Sulz oder einen Radi aus dem Garten, dazu ein Butterbrot. Darüber hinaus diverses Schmalzgebäck und Mehlspeisen, angefangen vom Apfelstrudel, Apfelküchl und den Ausgezogenen, Bruckprügel, Dampfnudeln, Maultaschen, Schmarrn und Pfannenkuchen. Es war früher ungeschriebenes Gesetz, dass Mädchen kochen und backen konnten, bevor sie heirateten. Zum Beispiel Weihnachten: Es wäre damals undenkbar gewesen, Weihnachtsplätzchen beim Bäcker oder Konditorei zu kaufen. Meine Tante Anni zum Beispiel hatte mehr als 20 Sorten gebacken, wenn nicht mehr. Als sie Anfang November in den 70er Jahren überraschend starb, hinterließ sie eine große Truhe mit den schönsten und besten Weihnachtsplätzchen. Es war sozusagen Prestigesache, sich damit als fleißige Hausfrau zu profilieren. Allerdings überstieg es in den Nachkriegszeiten das Haushaltsbudget einer einfachen Familie. Doch meine Mama hatte eine Lösung, sich die nötigen Backzutaten zu beschaffen. Bei unserem Kramer Holnburger in Zaisering gab es bereits damals "Rabattmarken", die dafür konzipiert wurden, um die Kauflust anzuregen und die Käufer zur Barzahlung zu animieren, statt anschreiben zu lassen. Eine Woche vor Backbeginn begann das große Schlecken. Die Rabattmarken mussten in die Rabattmarkenkarten in die dafür vorgesehenen Felder eingeklebt werden. Es war für mich die größte Weihnachtsvorfreude, als meine Mama mit den dafür erworbenen Backzutaten den Teig rührte, knetete und mit dem Nudelwalker ausrollte. Formen zum Ausstechen hatten wir nur ein paar. Einen Stern, ein Herz, eine Raute und runde, für die "Spitzbuben" (mit Marmelade bestrichen und zusammengeklebt) . Schon der Duft, der beim Backen die ganze Wohnung durchzog, war ein Highlight, wie man heutzutage zu einem besonderen Erlebnis sagt. Doch das war noch nicht alles, denn die Platzerl mussten schließlich mit viel Liebe ausgestochen und nach dem Backen mit Schoko-oder Zitronenglasur überzogen und mit bunten Streusel verziert werden. Das war meine Aufgabe, der ich mich mit Hingabe widmete. Doch dann kam noch das Wichtigste für Mama: Sie musste, wenn wir an Weihnachten noch welche übrig haben wollten, diese vor mir und Papa verstecken. Nicht so einfach, auch nicht in der neuen, etwas größeren Wohnung beim Liegl, ein paar Häuser weiter.. Aber da hatten da wenigstens eine Holzlege. In einer oder mehreren Blechschachtel/n blieben sie zum einen gut haltbar und zum anderen waren sie sicher vor Mundraub. Heutzutage, wo es alles in Überfluss gibt, kann man nicht nachvollziehen , um ein paar Plätzchen so ein Getue zu verbringen, Aber damals waren selbstgebackene "Guatl" eine Rarität. Die Mutter meines ersten Mannes versteckte sie sogar im Heuboden, damit sie vom Rest der Familie nicht gefunden werden. Aber - selbst da waren sie nicht sicher und es verblieb nur ein kläglicher Rest davon für Weihnachten.
Ein ausgehöhlter Wecken Brot und vier Paar Würstchen an Fronleichnam
Die "Bäcker-Bella" war für mich der Inbegriff des guten Duftes. Zwar nicht sie persönlich, aber ihr Laden. Was heute eine Parfümerie für Mädchen und Frauen bedeutet, war damals für mich die Bäckerei in Zaisering. Es roch so unheimlich gut nach frisch gebackenen Brot. Da ich in Zaisering die Volksschule besuchte, war es für meine Mama praktisch, dass ich nach der Schule zum Bäcker ging, um Brot mit nach Hause zu nehmen. War ansonsten kein Problem, sofern man seine Gelüste nach dem leckeren Backwerk in Zaum halten konnte. Das gelang mir immer. Fast zumindest, bis auf einmal. Das Brot roch so verführerisch aus der Tasche, die mir meine Mutter mitgegeben hatte. Ich kam bis zur Hälfte der heutigen Betonstraße, die damals über einen Feldweg von Zaisering nach Aign führte. Ich dachte: "Ein Stück kann ich ruhig schon mal abbeißen". Gesagt, getan, ab dann war es um mich und den Brotwecken geschehen, vielmehr um dessen Inneres. Immer und immer wieder fuhr ich mit dem Zeigefinger in dessen Hülle, bis der Brotlaib total ausgehöhlt war. Daheim angekommen wurde mir ein wenig mulmig, als ich meiner Mutter beichten musste, dass das Brot nicht mehr vollständig war. Erst schimpfte sie mich und dann sagte sie: "Ja mei Evi, dann musst du halt nochmal nach Zaisering zum Bäcker gehen und einen neuen Wecken holen. Aber den bringst gefälligst ganz heim!" Essen hatte in meinem Leben immer einen großen Stellenwert, genauso wie ich in die Traditionen hineinwuchs. Fronleichnam zum Beispiel. Da ging man in die Kirche und nahm an der Fronleichnamsprozession teil. Man holte dazu sein schönstes Sonntagsgewand aus dem Schrank. Ich war ungefähr sechs Jahre, als mir meine Tante von einem himmelblauen Organza-Stoff ein wunderschönes Kleid mit dazu passender Haarschleife genäht hatte. Ich war so stolz, mit Papa mitmarschieren zu dürfen, der sich ebenfalls mit dunklem Anzug und Fliege geschniegelt und gebügelt herausgeputzt hatte. Wie es der Brauch vorsah, kehrten wir danach im Gasthaus Hofmüller in Zaisering ein. Er bestellte sich zur Feier des Tages ein Bier und eine Knöcherlsülze und für mich ein Glas Limo und zwei Paar Wiener, die ich ziemlich bald verdrückt hatte, weil ich einen Riesen-Kohldampf hatte. Sie schmeckten auch so gut und ich kam ganz selten in diesen Genuss. Deshalb fragte ich Papa: "Griag i numoi oa?!" (Bekomme ich noch welche?) Mein Vater bestellte noch ein Paar. Doch dem noch nicht genug. Ich aß insgesamt vier Paar bis ich endlich satt war. Papa schüttelte den Kopf "Du isst uns ja de Haar vom Kopf, so wie du Hunger hast!" Ich mag Wiener-Würstl heute noch gern. Aber ich schaff jetzt nur noch ein Paar.
Viel weniger Landwirte ernähren heute viel mehr Menschen
Früher wusste man, wo die Lebensmittel herkommen. Es gab viele Bauernhöfe, die dafür sorgten, dass die Nahrungsmittel-Versorgung für sich, ihre Familien und die Bevölkerung gewährleistet war. Heute werden sie aus allen Teilen der Erde herangekarrt und eingeflogen, bevor sie in den Regalen des Einzelhandels landen. Es bedarf beinahe detektivischer Fähigkeiten, herauszufinden , wo sie genau herkommen. Eine sehr bedauerliche Entwicklung, wie ich finde.
Da man im Laufe der Zeit feststellen muss, dass es kaum noch bäuerliches Leben in den Dörfern gibt und die Kinder von heute Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner, Gänse und Enten eher aus Bilderbüchern, Fernseher, Computer und Zoo kennen, habe ich mich über die Entwicklung der Landwirtschaft informiert.
Im Bundesinformationszentrum Landwirtschaft bin ich mit nachfolgenden Artikel fündig geworden.
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Landwirtschaft gestern und heute
Die Landwirtschaft hat sich in den letzten 50 Jahren grundlegend verändert. Viel weniger Landwirte ernähren heute viel mehr Menschen.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Abwanderung vieler bäuerlicher Arbeitskräfte zur Folge. "Arbeit" wurde gegenüber dem "Boden" und dem eingesetzten "Kapital" immer teurer. Die Folge: Arbeitskräfte wurden durch Maschinen ersetzt, körperlich anstrengende Tätigkeiten durch technische Hilfsmittel erleichtert, es kam zu einer intensiven Mechanisierung in der Landwirtschaft. Umgekehrt stiegen die Anforderungen an die Managementfähigkeiten der Unternehmer. Ein einzelner Landwirt konnte im Laufe der Zeit immer mehr Boden bewirtschaften und Tiere halten. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche je Betrieb stieg stetig an, dabei sank die Anzahl der Beschäftigten und der Betriebe.
Spezialisierung - vor allem in der Tierhaltung
In den Betrieben wurden jedoch nicht nur immer mehr und modernere Maschinen eingesetzt, sondern die Betriebe spezialisierten sich auch. Vor allem in der Hühnerhaltung, der Rinder- und Schweinemast (den sogenannten Veredelungsbetrieben) haben sich hoch technisierte Betriebe mit einer inzwischen regional relativ großen Zahl von Tieren pro Flächeneinheit entwickelt.
Die beachtlichen Produktionszuwächse der vergangenen 50 Jahren sind aber nicht allein auf die Mechanisierung und Spezialisierung zurückzuführen. Neue Saatgutsorten, Dünge- oder Pflanzenschutzmittel führten zu steigenden Erträgen der Nutzpflanzen. In der Tierproduktion wurden deutliche Leistungssteigerungen durch Zuchtfortschritte, erhöhten Kraftfuttereinsatz, optimierte Fütterung und Haltung sowie intensive veterinärmedizinische Betreuung erzielt. Die Tiere wurden in kürzerer Zeit auf ihr Schlachtgewicht gemästet, legten mehr Eier oder gaben mehr Milch im vergleichbaren Zeitraum. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Betriebe, die nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus wirtschaften und beispielsweise auf synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichten.
Was leistet die heutige Landwirtschaft?
Wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen hat also auch in der Landwirtschaft die Produktivität stark zugenommen. Immer mehr Menschen können von einem Hektar Nutzfläche ernährt werden. Ein Beispiel: Der Ertrag für einen Hektar Weizen lag vor rund 100 Jahren bei gerade mal 1.850 Kilogramm, heute liegt der Weizenertrag bei rund 8.100 Kilogramm. Durch die starke Mechanisierung kann ein Landwirt heute etwa 140 Menschen ernähren, 1950 waren es dagegen nur 10 und 1900 gerade mal vier.
Die zunehmende Produktivität hat aber auch dazu geführt, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten. Noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts verdienten 38 Prozent aller deutschen Erwerbstätigen ihr Brot in der Landwirtschaft. 50 Jahre später waren es noch 24 Prozent und Anfang des 21. Jahrhunderts nur noch zwei Prozent.
Landwirte verdienen immer weniger an Lebensmitteln
Doch obwohl Landwirtinnen und Landwirte immer produktiver werden, verdienen sie immer weniger an den von ihnen produzierten Lebensmitteln. Von einem Euro, den der Verbraucher für Lebensmittel ausgibt, erhält der Landwirt heute nur noch etwa 22 Cent. Zum Vergleich: Anfang der 1970iger Jahre waren es noch rund 48 Cent und 1950 sogar noch ca. 63 Cent.
Wir bezahlen immer weniger für Lebensmittel
Insgesamt nimmt der Anteil der Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel an den gesamten Konsumausgaben seit Jahren kontinuierlich ab. Heute geben wir in Deutschland weniger als 11 Prozent unserer Konsumausgaben für Nahrungsmittel und Getränke aus. 1950 waren es noch 44 Prozent.
Aufgeteilt in die verschiedenen Produktionssparten sieht das Bild aber sehr unterschiedlich aus. Bei Milch und Milcherzeugnissen beträgt der Anteil an den Nahrungsmittelausgaben der Verbraucher 42 Prozent, bei Brotgetreide nur noch knapp fünf Prozent.
Mit jeder Aufgabe eines familiären Hofes stirbt ein Stück bayerischer Kultur
Nachtrag: Ein Bericht von heute, 22.Januar 2021 im Dingolfinger-Anzeiger mit der Überschrift "Höfesterben setzt sich fort - Übrig bleibende Betriebe werden immer größer."
Die Zahl der bayerischen Bauern schrumpft unaufhaltsam. Ende 2020 gab es im Freistaat noch 84600 Höfe, wie das Statistische Landesamt in Fürth am Donnerstag mitteilte. Zehn Jahre zuvor waren es über 100.000, zur Jahrtausendwende 150.000. Aufgegeben haben in den vergangenen zehn Jahren vor allem hauptberufliche Bauern - mehr als 12.000. Mittlerweile wird auch mehr als die Hälfte der verbliebenen bayerischen Bauernhöfe von ihren Besitzern im Nebenerwerb geführt. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) plant eine "Hofnachfolgerstrategie" inklusive Existenzgründerförderung, wie das Ministerium mitteilte.
Im ganz langfristigen Vergleich wird das Ausmaß des Wandels besonders deutlich: Vor 100 Jahren gab es 670.000 Höfe im damals noch sehr landwirtschaftlich geprägten Bayern. Das Höfesterben ist keine bayerische Besonderheit, die Zahl der Landwirte in ganz Europa geht seit Jahrzehnten zurück. Allerdings macht sich dies im Freistaat besonders bemerkbar, weil Bayern Heimat eines guten Drittels aller deutschen Landwirte ist.
"Mit jedem familiären Hof, der aufgegeben werden muss, stirbt auch ein Stück bayerischer Kultur" sagte Kaniber dazu. Folge des permanenten Strukturwandels ist, dass die übrig bleibenden Höfe im Schnitt größer werden. Die durchschnittliche Betriebsgröße in Bayern ist innerhalb von zehn Jahren von 32 auf 36 Hektar gestiegen.
Viele Bauern haben Wirtschaftsweise geändert. Wie weitreichend die wirtschaftlichen Veränderungen auf dem Land sind, zeigt sich aber keineswegs nur an der nackten Zahl der Höfe. Aus der Statistik geht ganz klar hervor, wie viele Bauern ihre Wirtschaftsweise geändert haben, vor allem in der Tierhaltung. Ein Beispiel ist die Käfighaltung von Hühnern. Die Behörde zählte zum Jahresende nur noch gut 22.700 "Haltungsplätze" in Käfigen, vor zehn Jahren waren es noch 1,7 Millionen. Die ehedem üblichen und besonders beengten Legebatterien sind bereits seit 2010 verboten.
Kaniber plädierte für eine gute Balance zwischen den "gesellschaftlichen Erwartungen an mehr Naturschutz und Tierwohl auf der einen Seite und wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven für die Betriebe auf der anderen Seite". Der Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie sei das Ziel einer modernen Landwirtschaftspolitik.(dpa)
Der Lauf der Landwirtschaft führte offensichtlich in eine Sackgasse
Ich würde mir wünschen, dass wir bezüglich der Lebensmittelversorgung das Rad der Zeit zurückdrehen könnten. Dass die Bauern wieder ohne Subventionen überleben könnten und dass überwiegend einheimische Produkte in den Supermärkten angeboten würden. Ich brauche keine Erdbeeren im Winter und exotische Früchte schon gleich gar nicht. Ich wünschte mir, dass es statt den Agrarfabriken wieder mehr kleinbäuerliche Betriebe gäbe. Auch dass die Bauern möglichst wenig chemische Hilfsmittel brauchen und dass die Verbraucher nur das einkaufen, was sie wirklich benötigen. Denn, wenn ich sehe, was alles weggeworfen wird, dann steigt in mir die Wut hoch. Die produzierten heimischen Lebensmittel müssen wieder mehr wertgeschätzt und die importierten wieder mehr hinterfragt und genauso kontrolliert werden, wie die regionalen. Das kann nicht der Verbraucher regeln, sondern hier ist die Politik in der Verantwortung. Ich weiß aber auch, dass man die Geister, die man rief, nicht mehr in die Flasche zurückpfeifen kann und der "Wachse oder Weiche"-Mentalität offensichtlich nicht so leicht Einhalt geboten werden kann. Dennoch gibt es immer wieder positive Beispiele, die mit viel Idealismus umsetzen und aufzeigen, wie man es besser machen kann.